Die Geschichte der Vierschanzentournee

Die Springerfreunde aus Innsbruck und Partenkirchen konnten sicher nicht ahnen, was aus ihrer Idee einmal werden würde, als sie im Sommer 1949 in der gemütlichen Stube des Hauses "Maier" in Partenkirchen zum ersten Mal davon sprachen, eine "Springertournee" ins Leben zu rufen. In der Saison 2023/24 findet die längst zur Legende gewordene Vierschanzentournee ihr 72. Bestehen.

Ein Blick zurück: In den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg war es den deutschen Skispringern vom Internationalen Ski-Verband (FIS) noch verboten, im Ausland zu starten. Trotzdem ließen es sich die Freunde aus Innsbruck nicht nehmen, ihre Kameraden vom Ski-Club Partenkirchen (SCP) in den ersten Nachkriegsjahren zu Skispringen auf der Seegrube bei Innsbruck - die Bergisel-Schanze lag noch in Trümmern - einzuladen.

Als der Deutsche Skiverband (DSV) wieder in die FIS aufgenommen wurde, veranstaltete der SCP am 1. Januar 1949 sofort sein traditionelles Neujahrsskispringen mit internationaler Besetzung, wie bereits seit 1921. In den Nachkriegsjahren 1946-1948 waren hier übrigens nur deutsche Springer am Start. Beim Nachtskispringen am 17. Mai 1952 auf der Seegrube lag nach langer, temperamentvoller Diskussion endlich die "Geburtsurkunde" - sprich der Organisationsplan für die "Deutsch-Österreichische Springertournee", kurz "die Tournee", auf dem Tisch.

Die drei Stationen Partenkirchen (mit dem Neujahrs-Skispringen), Innsbruck und Bischofshofen waren von Anfang an als Tournee-Teilnehmer klar, man beauftragte den SCP wegen der Parität der Skiverbände Deutschland und Österreich einen zweiten deutschen Partner zu suchen. In engerer Wahl standen dabei Berchtesgaden, Füssen und Oberammergau, denn diese Orte verfügten damals über moderne Sprungschanzen und hatten eingespielte Organisationsteams. Weil aber die Zuschauer-Einzugsgebiete jenen der Gründer-Clubs gleichkamen, verzichtete man auf eine Zusammenarbeit mit den genannten Orten. So ist dann dem ursprünglichen Plan mit dem Ski-Club Oberstdorf in Verbindung zu treten, der Vorzug gegeben worden.

Der Start

Mit dem Neujahrsskispringen in Garmisch-Partenkirchen 1953 begann schließlich die "Tournee": Vor 20.000 begeisterten Zuschauern nahmen sechs Nationen (neben den besten deutschen und österreichischen Springern noch vier Schweden, je drei Norweger und Schweizer und fünf Springer aus Slowenien) am Tournee-Auftakt teil. Der Norweger Asgeir Dölplads gewann mit 78,5 und 81 Metern vor dem Österreicher Sepp "Buwi" Bradl. Am 4. Januar folgte mit Oberstdorf die zweite Station, Erling Kroken (NOR) siegte mit 66,5 und 69,5 Metern ebenfalls vor Bradl. Am 6. Januar fand das Dreikönigs-Springen in Innsbruck statt. Bradl siegte mit 72 und 73,5 Metern vor dem Sieger von Partenkirchen, Asgeir Dölplads. Am 11. Januar 1953 wurde die 1. Tournee in Bischofshofen abgeschlossen, dabei hieß der Sieger Halvor Naes (NOR, 90,5 und 94 Meter). Zweiter wurde erneut "Buwi" Bradl, der sich damit als erster Tournee-Sieger in der Chronik verewigte. 

Viele politische und natürliche Hindernisse waren in der Folgezeit zu überwinden, um die Tournee am Leben zu erhalten, es war schließlich weitgehend noch Visums-Pflicht, um nach Deutschland und Österreich einzureisen oder von einem Land ins andere zu gelangen. Dies war für die Organisatoren nicht immer leicht, die gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Grenzstellen half immer wieder, diese Hürden zu überwinden, dazu kamen Unwägbarkeiten wie der Flaggenstreit mit der damaligen DDR und ähnlich politisch bedingte Schwierigkeiten. Aber auch diese wurden überwunden. Ein wesentlich schwierigeres Handicap war die Witterung, die nicht immer mitspielte, es gab schließlich noch keine Maschinen, die künstlichen Schnee erzeugten und so war das Suchen, Finden und Transportieren von Schnee von den entlegendsten Orten eine oft nervenaufreibende Tätigkeit der Organisatoren. Aber allen Widrigkeiten zum Trotz wuchs die Tournee von Jahr zu Jahr zu immer größeren Erfolgen. 

Wissenswertes

Die Zweifach-Sieger

Nachdem es in der Toumee-Geschichte schon dreimal zwei Sieger bei einer Einzelkonkurrenz gegeben hatte –1955 Eino Kirjionen und Aulis Kallakorpi (beide Finnland) in Oberstdorf, 1982 Per Bergerud (Norwegen) und Manfred Deckert (DDR) in Innsbruck, 1991 Jens Weissflog (Deutschland) und Andreas Felder (Österreich) in Garmisch-Partenkirchen – gelang bei der 54. Tournee den Skispringern Janne Ahonen (Finnland) und Jakub Janda (Tschechien) ein ex aequo-Gesamt-Ergebnis, sie erreichten nach acht Wertungs-Durchgängen je 1.081,5 Punkte.

Der Fortschritt

Natürlich passten sich die Organisatoren der Tournee den Fortschritten an: Bereits im Jahre 1956 übertrug der Bayerische Rundfunk in der ARD das Neujahrsskispringen im Fernsehen und trug damit wesentlich zur Popularität der Tournee bei, ab 1960 wurden auch die anderen Stationen der Tournee im Fernsehen (in Deutschland später abwechselnd von ARD und ZDF) übertragen. Bis zu 25 Fernsehstationen übertragen heute die Tournee in die ganze Welt. Mit der Qualifikation zum Neujahrs-Skispringen 2000 am 31. Dezember 1999 endete zunächst die Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in Deutschland. Vom Deutschen Skiverband wurde mit der führenden Fernsehanstalt RTL ein neuer Vertrag abgeschlossen, der 2007 endete. Seitdem wird die Tournee wieder von den öffentlichen Fernsehanstalten übertragen.

Bereits 1962 wurde damit begonnen, zur Ergebnis-Auswertung Computer einzusetzen und schon 1972 begann die Zusammenarbeit mit einem Sponsor, nämlich der Firma "Intersport", die der Tournee mehr als 25 Jahre ihren Namen gab und wesentlich zum Erfolg der Tournee beitrug.

Technische und organisatorische Neuerungen wurden meist bei der Tournee erprobt und dort auch zuerst eingesetzt, wie beispielsweise die Video-Weitenmessung. Mit nur wenigen Ausnahmen wurde in der Vergangenheit bis heute die Tournee in der Reihenfolge Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen (1.1), Innsbruck und Bischofshofen (6.1.) durchgeführt.

Kuriositäten

Absage? Wir springen trotzdem

2. Tournee 1953/54: Wegen Schneemangels wurde die Tournee am 28.12.53 abgesagt. In Unkenntnis dieses Beschlusses ist die österreichische Mannschaft dennoch nach Oberstdorf angereist und siehe da, mit der Ankunft der Skispringer begann es dort zu schneien.

Ja, es gab Schnee in Hülle und Fülle. Skiclub-Funktionäre und vorhandene Skispringer fingen sofort an, die Schanze zu präparieren. Gleichzeitig wurden die Skiverbände telegrafisch verständigt, dass die Tournee-Wettkämpfe nun doch in vollem Umfang durchgeführt werden. Die Fluggesellschaft SAS verschob den Flug um einen halben Tag, damit die Skispringer aus den nordischen Ländern rechtzeitig anreisen konnten.

Die drei Grand-Slam-Gewinner

Bei der Vierschanzentournee 2001/02 konnte mit Sven Hannawald erstmals ein Springer überhaupt in der Geschichte alle vier Einzelkonkurrenzen gewinnen. Das war zuvor keinem Athleten gelungen und auch danach dauerte es eine ganze Zeit, bis jemand das Kunststück wiederholen konnte: Es war niemand anderes als "König Kamil", der polnische Überspringer Kamil Stoch, der bei der Vierschanzentournee 2017/ 2018 alle vier Springen gewinnen konnte. Bei der darauffolgenden 67. Vierschanzentournee gelang es Ryoyu Kobayashi den Grand Slam für Japan zu holen. 

Der einzige Zweifach-Sieg

Ein weiteres Novum gab es bei der 54. Vierschanzentournee 2005/06: Janne Ahonen aus Finnland und Jakub Janda aus Tschechien erreichten nach acht Wertungsdurchgängen je 1081,5 Punkte und es gab erstmals in der Geschichte zwei Tourneesieger. Nach dem Neubau der Schanze in Partenkirchen im Jahre 2007 haben nun alle vier Tournee-Orte neue Schanzenanlagen.

Zu den Personen

Von den Gründern Toni Glos, Emmerich "Putzi" Pepeunig (Innsbruck), Beppi Hartl, Franz Rappenglück (SCP), Andi Mischitz, Fred Triebner (Bischofshofen), Alfons Huber und Xaver Kaiser (Oberstdorf) ist der legendäre Putzi Pepeunig am 20. März 2000 im Alter von 79 Jahren im Innsbrucker Friedhof unter seiner geliebten Bergisel-Schanze in Innsbruck als Letzter der Gründer beerdigt worden, wobei er bis zuletzt als Tournee-Ehrenpräsident an der Tournee regen Anteil genommen hatte.
 
Pepeunigs Nachfolger wurde der langjährige ehemalige Vorsitzende des Ski-Clubs Partenkirchen (SCP), Hans Ostler, er stand bis 2003 der Tournee als Präsident vor. Ostler ist einer der ganz Wenigen, die seit der 1. Tournee als Funktionäre an der Veranstaltung beteiligt sind. Ostler wurde 2003 vom ehemaligen Obmann des Bergisel-Skispringens, Dietmar Hemerka abgelöst, nachdem das Tournee-Präsidium beschlossen hatte, dass die Tournee-Präsidentschaft alle drei Jahre zwischen Deutschland und Österreich wechselt. Auf Hemerka folgte im Sommer 2006 der langjährige Präsident des Skiclubs Oberstdorf, Claus-Peter Horle, 2010 wurde dieser von Alfons Schranz, Innsbruck, abgelöst.

Von Sommer 2015 bis Sommer 2018 war Michael Maurer, der Vorsitzende des Skiclubs Partenkirchen sowie des OK Neujahrsskispringens, Präsident der Vierschanzentournee. Er wurde von Johann Pichler vom Skiclub Bischofshofen abgelöst, der das Amt von Sommer 2018 bis Sommer 2021 innehatte. Pichlers Nachfolger und aktueller Präsident der Vierschanzentournee ist Dr. Peter Kruijer vom SC Oberstdorf.